Regen zwischen Fluch und Segen
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Paten von Back to Life,
während wir aktuell in Deutschland mit großer Sorge auf das Hochwasser in unseren östlichen Nachbarländern und die rasant steigenden Pegel unserer Flüsse schauen, neigt sich in Nepal der Monsun in diesen Tagen seinem Ende zu. Die Regenzeit ist ein zweischneidiges Schwert, das alljährlich ins Herz des nepalesischen Lebens sticht: Paradies und Hölle, Segen und Fluch zugleich.
Menschengemachte Naturkatastrophen
Diese Naturkatastrophen sind menschengemacht. Erdrutsche und Flutkatastrophen sind die Folge. Nach nepalesischen Behördenangaben waren aktuell 1,8 Millionen Menschen in 412.000 Haushalten unmittelbar davon betroffen. Mindestens 112 Menschen starben 2024 durch den Monsun, 58 werden vermisst. Im Juli 2024 vermeldete die „Tagesschau“ in einer ihrer seltenen Nachrichten aus Nepal, dass zwei Reisebusse in einen Fluss gestürzt seien. Normalerweise kommen Reiseverkehr und öffentliches Leben während des Monsuns weitgehend zum Erliegen.
Zehnmal mehr Regen als in Deutschland
Warme Winde nehmen im späten Frühjahr über dem indischen Ozean extrem viel Wasser auf. Die Regenwolken entladen sich zwischen Juni und September über Nepal am Südhang des Himalaya. In nur vier Monaten fallen dort mehr als 90 Prozent des gesamten Jahresniederschlages. Zum Vergleich: Während eines durchschnittlichen Julis regnet es in Kathmandu zehnmal mehr als in Deutschland: mehr als 780 Millimeter pro Quadratmeter.
Wolken, Wohl und Wehe
62 Prozent der rund 30 Millionen Nepalesen sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In rechter Menge nährt und regeneriert der Regen die Böden, garantiert eine gute Ernte. Fällt jedoch zu viel Niederschlag, kommt es zu Ernteausfällen. Hungersnöte drohen, Saatgut und wertvolles Ackerland gehen verloren.
Laut Klima-Risiko-Index des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von 2021 zählt Nepal zu den zehn am stärksten von Klimawandel betroffenen Ländern der Erde. Der unberechenbare Monsun 2024 hat dies bestätigt. Es gab weitaus mehr extreme Wetterlagen als üblich: Überdurchschnittlich hohe Regenmengen, dazu verstärkte intensive kurze Sturzfluten. Hinzu kommt, dass wegen des Bevölkerungswachstums große Städte wie die Hauptstadt Kathmandu und der Touristenmagnet Pokhara auf ehemaliges Brachland ausgedehnt worden sind. So fehlen dem Wasser ehemalige natürliche Abfluss- und Sickermöglichkeiten.
Projektregion Mugu von Außenwelt abgeschnitten
Das beobachten wir besonders in unserem Projektgebiet Mugu im äußersten Nordwesten Nepals: Der 232 Kilometer lange Karnali Highway verbindet Surketh am Fuße der Berge mit dem entlegenen Himalaya. Schon in trockenen Monaten ist die Fahrt auf der in steile Berghänge geschlagenen Schotterpiste lebensgefährlich. Nach insgesamt 133 Erdrutschen war der Kanali Highway im diesjährigen Monsun 39 Tage lang gesperrt. Und nur eine Handvoll weniger baufälliger Flugzeuge konnte die Region während der Regensaison von Surkhet aus anfliegen.
Damit war Mugu von der Außenwelt nahezu abgeschnitten. Nahrung, Medikamente und Gegenstände des täglichen Bedarfs konnten nicht in die Berge geschafft werden. In solchen Zeiten sind unsere 17 Geburtshäuser noch wichtiger als sonst. Unsere Hebammen bringen nämlich nicht nur Kinder zur Welt, sondern versorgen auch die Bevölkerung medizinisch. Deswegen investieren wir fortlaufend in die Aus- und Weiterbildung unseres Fachpersonals.
Monsunvorsorge bei Bauvorhaben und Öfen für den Klimaschutz
Besonders bei unseren Bauvorhaben fordert uns der Monsun Jahr für Jahr heraus. Material kann nicht herbeigeschafft werden, versiertes Fachpersonal aus umliegenden Dörfern nicht zur Arbeit gelangen. Umso wichtiger ist daher der umsichtige Kalenderblick in der Planungsphase eines jeden Geburtshauses und jeder Schule. Aber der Monsun wird immer unberechenbarer.
Um unsere Häuser zu schützen, wählen wir erdrutschsichere Plätze, legen aufwendig Drainagen an und pflanzen kräftige bodendeckende Pflanzen, die das Erdreich zusammenhalten sollen. Die energieeffizienten rauchfreien Öfen und die Solarsysteme, mit denen wir bereits mehr als 19.000 Menschen versorgt haben, sind einer unserer Beiträge zum Klimaschutz.
Hilfe nicht auf Sand gebaut
Unser Mitgefühl ist heute bei unseren europäischen Nachbarn und den Menschen an unseren Flüssen, an denen das Wasser bedrohlich steigt. In Europa stehen in solchen Krisenzeiten Hilfe, Nahrung und ärztliche Versorgung parat.
In den fernen Regionen Nepals jedoch gäbe es dergleichen ohne Sie, liebe Freunde, allerdings kaum. Mugu wäre während des Monsuns von der Welt abgeschnitten und sich selbst überlassen. Aber mit Ihrer Unterstützung können wir ganzjährig Hilfe leisten, die nicht auf Sand gebaut ist.
Dafür danke ich Ihnen von Herzen.
Alles Liebe und Gute zum Vollmond, bleiben Sie uns verbunden!
Ihre Tara Stella Deetjen