„Zusammengedrängt sitzen wir in einem Jeep, der sich auf Lehmpisten die Hügel Chitwans hinaufwindet. Die Serpentinen sind so eng, dass der Fahrer mehrmals ansetzen muss. Plötzlich hat sich der Jeep festgefahren, es geht weder vor noch zurück. Also steigen wir aus und laufen das letzte Stück schweißgebadet den Hügel hinauf zur Schule. Dort empfängt man uns mit großer Freude und Herzlichkeit – mitten im Dschungel.
Diese überschäumende, aber natürliche Freude und Dankbarkeit, die die Kinder und auch die Eltern und Lehrer Stella zeigen, berührt mich tiefer als ich es für möglich gehalten hätte. Irgendwie bin ich dann doch – auch wenn uns meistens Erdteile trennen – wieder ganz nah bei ihr. Schließlich habe ich als ihr Onkel ihr ganzes Leben verfolgen können.
Nach der stürmischen Begrüßung folgt ein buntes Programm, das allen Spaß macht. Erst singen sie gemeinsam nepalesische Kinderlieder, dann führen zwei ältere Schülerinnen traditionelle Volkstänze vor. Unter großem Applaus geben sie auch eine Zugabe. Im eifrigen Wettbewerb folgen Geschicklichkeitsspiele, die Kinder feuern ihre Mitschüler lautstark an.
Danach verlegen wir die Spiele nach draußen in den Sonnenschein. Nach anfänglichem Staunen jagen die Kinder den Seifenblasen hinterher, die über den Schulhof fliegen und versuchen, sie zu fangen. Die Fröhlichkeit der Kinder und ihre Freude über kleine Dinge sind berührend. Das Back to Life-Team, Stella, ihr Sohn und wir spielen gemeinsam mit den Kindern den ganzen Nachmittag lang. Stunden, die angefüllt sind mit unbeschwertem Kinderlachen.
Unbeschwertes Kinderlachen und pure Begeisterung
Am schwarzen Brett hängt der Speiseplan für eine Woche, die Kinder bekommen jeden Tag eine warme Mahlzeit. Da momentan Dashain in Nepal gefeiert wird, gibt es heute ein Festmahl. Ich staune, wie schnell sie die großen Portionen verzehren und sich danach noch einmal für einen Nachschlag anstellen. Löblich ist, dass sich alle vorher an einem Wasserhahn neben dem Schulgebäude die Hände und nach der Mahlzeit die sauber leergegessenen Teller so gründlich waschen, wie sie es hier gelernt haben. Auch das ist ein wichtiger präventiver Beitrag zur Gesunderhaltung der Kinder.
Die Kinder und ihre Familien gehören zum Volksstamm der Chepang, eine ethnische Minderheit. Einst Nomaden im Dschungel, wurden sie vor mehreren Generationen von der Regierung zum Siedeln gezwungen. Weder des Lesens und Schreibens noch des Ackerbaus mächtig, fielen sie in bittere Armut. Oft sind die Männer als einfache Tagelöhner tätig, auf Baustellen, im Straßenbau oder auf Märkten. Andere suchen verzweifelt eine Arbeit in den großen Städten oder im Ausland.
Diesen besonders benachteiligten Menschen, in einem sehr armen Land, die Möglichkeit zu einer Schulausbildung ihrer Kinder zu geben, ist eine herausragende Tat. Seit 10 Jahren verhilft Back to Life in Chitwan insbesondere Mädchen zum Schulbesuch, darunter viele Chepang. Durch die jahrelange Förderung haben die ersten bereits die Mittlere Reife abgelegt und streben das Abitur an. Das ist ein beachtlicher Erfolg. Aktuell unterstützt Back to Life in Chitwan 600 Schüler und Schülerinnen, ein Drittel sind Chepang. Außerdem baut Back to Life ein weiteres Schulgebäude für Dhamili, die Grundmauer und die ersten Pfeiler stehen schon.
Der Tag vergeht wie im Fluge und wir müssen uns verabschieden. Dutzende Kinderhände winken uns hinterher. Es war tief beeindruckend – für mich auch sehr emotional.“
Dr. Wolfgang Deetjen
Oktober 2019