

Die Topographie Nepals ist einzigartig. Es gibt drei landschaftliche Regionen, die sich parallel zueinander von Nordwesten nach Sรผdosten ziehen. Im Norden liegt das Hochgebirge mit einer durchschnittlichen Hรถhe von 4.500 Metern, Richtung Sรผden dann flachen die Berge ab. Sie sind nur noch um die 2500 Meter hoch und werden durchzogen von groรen Tรคlern. Eines davon ist das Kathmandu-Tal auf 1.300-1.400 Metern. Im Sรผden Nepals schlieรlich liegt das fruchtbare Tiefland, Terai genannt, dessen tiefster Punkt gerade einmal 60 Meter รผber dem Meeresspiegel liegt.
Insgesamt ein Drittel des Himalaya liegt in Nepal und acht der zehn hรถchsten Berge unseres Planeten sind hier zu finden. Der Hochhimalaya ist nur schwer zugรคnglich, das Gelรคnde oft unwegsam. Nach wie vor fehlt es an Infrastruktur, auch wenn im vergangenen Jahrzehnt einige Fernstraรe hinzugekommen sind. Wenn die Straรen nicht asphaltiert sind, werden sie jรคhrlich vom Monsun รผberspรผlt und sind dann oft fรผr Monate unbefahrbar.

Das Terai im Sรผden aber ist die wahre Kornkammer Nepals. Es wird von den Flรผssen bewรคssert, die im Gebirge oder im tibetischen Hochland ihren Ursprung haben. Auรerdem umfasst das Terai das grรถรte Waldgebiet Nepals mit einer vielfรคltigen Flora und Fauna, darunter der bengalische Tiger und andere vom Aussterben bedrohte Tierarten. Seit den 1970er Jahren wird hier durch die Errichtung von Nationalparks aktiv Artenschutz betrieben.

Mindestens so vielfรคltig wie seine Topographie, ist die Bevรถlkerung des Landes. Nepal beherbergt eine Vielzahl verschiedener ethnischer, kultureller und religiรถser Gruppen. Aus diesem Grund ist es unmรถglich, generelle Aussagen รผber das Leben und die Gewohnheiten der Menschen zu treffen. Vielmehr gibt es immer wieder Neues zu entdecken.
In Nepal leben heute knapp 30 Millionen Menschen. Wรผrden Sie zwei zufรคllig ausgewรคhlte Personen auf der Straรe ansprechen, so lรคge die Wahrscheinlichkeit, dass beide aus einer unterschiedlichen Ethnie stammen, bei 66 Prozent, dass sie eine unterschiedliche Sprache sprechen sogar bei รผber 70 Prozent.
Wie diese Vielfalt genau zu Stande kommt, ist historisch schwer nachvollziehbar. Wahrscheinlich ist aber, dass die Gruppen, die heute zu den indigenen Vรถlkern (Janajatis) gezรคhlt werden und etwa ein Drittel der Bevรถlkerung ausmachen, von Norden รผber das tibetische Hochland nach Nepal gekommen sind. Dafรผr spricht, dass sie zum Groรteil tibeto-birmanische Sprachen wie Tamang, Gurung oder Sherpa sprechen. Die รผbrigen Vรถlkergruppen sind von Sรผden, Westen und Osten nach Nepal gekommen, wo der Zugang viel einfacher ist. Sie sprechen eher indo-arische Sprachen, die mit den Sprachen Nordindiens verwandt sind, wie Awadhi, Maithili oder Bhojpuri.


Schon eine vereinfachte Darstellung, in der die zehn grรถรten Gruppen dargestellt sind, zeigt uns, wie vielfรคltig die Bevรถlkerung ist.
Bahun sind die Brahmanen und oberste Kaste, Chhetri die zweit hรถchste Gruppe der einstigen Krieger. Die Magar gehรถren zu den Janajatis, sie sind eines der รคltesten Vรถlker Nepals, ebenso die Tamang. Die Tharu besiedeln das Terai und sprechen eine indo-arische Sprache. Yadav ist eine aus Indien kommende Gruppe, die ursprรผnglich Kuhhirten waren. Die Rai gehรถren zu einem Volk, das vor allem im Osten Nepals siedelt und deren Ausprรคgung des Hinduismus stark schamanisch geprรคgt ist. Muslime kamen wahrscheinlich um das 15. Jahrhundert nach Nepal. Im Gegensatz zu Indien wurde das Land nie von islamischen Herrschern erobert.

Auch im umgekehrten Sinne spielen die Kasten eine Rolle. So bilden die Bahun, Chhetri und Thakuri zwar keine Mehrheit der Bevรถlkerung, bestimmen aber als dominante Minderheit in der Mehrzahl der Distrikte die Politik. Diese Gruppe wird in der nepalesischen รffentlichkeit als Khas Arya bezeichnet. Zwar ist im politischen System Nepals die soziale Inklusion auf jeder Regierungsebene vorgesehen, z.B. durch Quota fรผr Frauen und Dalits, dennoch sind diese Gruppen oft noch unterreprรคsentiert und politische schlechter organisiert. Daher wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die noch junge Demokratie tatsรคchlich die Interessen aller Gruppen in der รffentlichkeit vertritt.

Nepal war bis in die 1990er eine Monarchie, mal konstitutionell, mal eher absolutistisch. Von 1996 bis 2006 befand sich das Land in einem Bรผrgerkrieg, der mindestens 16.000 Menschenleben forderte. Die Maoisten kรคmpften gegen die Monarchie. Armee und Polizei wiederum gingen gegen Rebellen, oft aber auch auf Verdacht gegen Zivilisten vor. Der Konflikt hat im ganzen Land viele Wunden hinterlassen. 2006 wurde schlieรlich das Ende der Monarchie und auch des Hinduismus als Staatsreligion beschlossen. Die erste verfassungsgebende Versammlung von 2008 konnte sich lange Zeit nicht auf eine Verfassung einigen. Erst nach mehreren Neuwahlen und jahrelangen Verhandlungen trat schlieรlich 2015 die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Nepal in Kraft. Heute besteht das Parlament Nepals aus zwei Kammern mit 275 und 59 Angeordneten. Staatsprรคsidentin ist seit 2015 Bidya Devi Bhandari, Premierminister ist seit 2021 Sher Bahadur Deuba.


Die Kultur Nepals ist geprรคgt von der ethnischen, religiรถsen und sprachlichen Vielfalt seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Nepali ist die einzige Amtssprache des Landes, auch wenn in der Verfassung von 2015 mehr als 120 Sprachen, die als Muttersprachen genannt wurden, als nationale Sprachen anerkannt werden. Mehrsprachigkeit ist in Nepal der Normalfall. Neben Nepali und ggfs. einer abweichenden Muttersprache, ist Englisch weit verbreitet, insbesondere im Tourismus. Im Norden etwas weniger als im Sรผden, verstehen und sprechen viele Menschen auch Hindi, die Nationalsprache Indiens, aufgrund von Arbeitsmigration und dem Konsum indischer Medien.
In Nepal gibt es neben der schriftlichen Literatur, die ab dem 14. Jahrhundert รผberliefert ist, auch eine Vielzahl mรผndlicher รberlieferungen. Viele Mythen, Mรคrchen, Legenden und Fabeln basieren auf einer Erzรคhltradition. In den Dรถrfern finden Sie schnell alte Menschen oder Schamanen, die Ihnen eine ganze Reihe von Mรคrchen, Sagen oder auch Geistergeschichten frei erzรคhlen kรถnnen. Viele dieser Geschichten wurden noch nie aufgeschrieben.

