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Nepal
Nepal ist in jeder Hinsicht besonders. Das kleine Land mit einer Fläche so groß wie Griechenland oder der Bundesstaat New York liegt zwischen den beiden Giganten Asiens: China und Indien. Doch auch sie können Nepal nicht in den Schatten stellen, denn es beherbergt zahlreiche 8000er Gipfel und den höchsten Berg der Welt, den Sagarmatha, besser bekannt als Mount Everest. Auch hat das Land seine ganz eigene Kultur oder besser Kulturen, hervorgebracht, die zum Beispiel in der Newar Architektur der Königsstädte im Kathmandutal sichtbar wird, in den zahlreichen kleinen Altären ebenso wie in Hindu-Tempeln, buddhistischen Stupas, ehemaligen Palästen und tibetischen Klöstern. Auch gesellschaftlich ist Nepal geprägt von der beispiellosen Vielfalt ethnischer Gruppen, die hier in einer Nation zusammenleben. Begleiten Sie uns auf eine kleine Reise in den Himalaya und in unsere Projektgebiete Chitwan, Nuwakot und Mugu.
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Nepal
Land
Die Topographie Nepals ist einzigartig. Es gibt drei landschaftliche Regionen, die sich parallel zueinander von Nordwesten nach Südosten ziehen. Im Norden liegt das Hochgebirge mit einer durchschnittlichen Höhe von 4.500 Metern, Richtung Süden dann flachen die Berge ab. Sie sind nur noch um die 2500 Meter hoch und werden durchzogen von großen Tälern. Eines davon ist das Kathmandu-Tal auf 1.300-1.400 Metern. Im Süden Nepals schließlich liegt das fruchtbare Tiefland, Terai genannt, dessen tiefster Punkt gerade einmal 60 Meter über dem Meeresspiegel liegt.
Insgesamt ein Drittel des Himalaya liegt in Nepal und acht der zehn höchsten Berge unseres Planeten sind hier zu finden. Der Hochhimalaya ist nur schwer zugänglich, das Gelände oft unwegsam. Nach wie vor fehlt es an Infrastruktur, auch wenn im vergangenen Jahrzehnt einige Fernstraße hinzugekommen sind. Wenn die Straßen nicht asphaltiert sind, werden sie jährlich vom Monsun überspült und sind dann oft für Monate unbefahrbar.
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Nepal
Das Kathmandu-Tal ist seit jeher das Zentrum für Handel und Handwerk. Mindestens seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. herrschten hier verschiedene Dynastien, angefangen mit der hohen Kultur der Licchavis. Doch besonders geprägt ist es von den Newar. Ihr Pagoden-Baustil, der sich sogar bis nach Ostasien ausbreitete, prägt die alten Plätze der drei ehemaligen Königreiche Kathmandu, Bhaktapur und Patan (Lalitpur). Außerhalb der Stadt findet sich fruchtbares Ackerland, was die Menschen seit 2000 Jahren ernährt und die florierende Zivilisation erst möglich machte.
Das Terai im Süden aber ist die wahre Kornkammer Nepals. Es wird von den Flüssen bewässert, die im Gebirge oder im tibetischen Hochland ihren Ursprung haben. Außerdem umfasst das Terai das größte Waldgebiet Nepals mit einer vielfältigen Flora und Fauna, darunter der bengalische Tiger und andere vom Aussterben bedrohte Tierarten. Seit den 1970er Jahren wird hier durch die Errichtung von Nationalparks aktiv Artenschutz betrieben.
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Nepal
Menschen
Mindestens so vielfältig wie seine Topographie, ist die Bevölkerung des Landes. Nepal beherbergt eine Vielzahl verschiedener ethnischer, kultureller und religiöser Gruppen. Aus diesem Grund ist es unmöglich, generelle Aussagen über das Leben und die Gewohnheiten der Menschen zu treffen. Vielmehr gibt es immer wieder Neues zu entdecken.
In Nepal leben heute knapp 30 Millionen Menschen. Würden Sie zwei zufällig ausgewählte Personen auf der Straße ansprechen, so läge die Wahrscheinlichkeit, dass beide aus einer unterschiedlichen Ethnie stammen, bei 66 Prozent, dass sie eine unterschiedliche Sprache sprechen sogar bei über 70 Prozent.
Wie diese Vielfalt genau zu Stande kommt, ist historisch schwer nachvollziehbar. Wahrscheinlich ist aber, dass die Gruppen, die heute zu den indigenen Völkern (Janajatis) gezählt werden und etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, von Norden über das tibetische Hochland nach Nepal gekommen sind. Dafür spricht, dass sie zum Großteil tibeto-birmanische Sprachen wie Tamang, Gurung oder Sherpa sprechen. Die übrigen Völkergruppen sind von Süden, Westen und Osten nach Nepal gekommen, wo der Zugang viel einfacher ist. Sie sprechen eher indo-arische Sprachen, die mit den Sprachen Nordindiens verwandt sind, wie Awadhi, Maithili oder Bhojpuri.
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Nepal
Die bereits erwähnten Newar machen nur noch etwa 5 Prozent der Bevölkerung aus. Auch sie sprechen eine tibeto-birmanische Sprache, das Newari, welches sie selbst als Nepala Bhasa, übersetzt die Sprache Nepals, bezeichnen. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass lange Zeit nur die Region um das Kathmandu-Tal den Namen Nepal trug. Die Newar werden oft auch zu den Janajatis gezählt. Religionswissenschaftler interessieren sich besonders für sie, da in ihrer Lebensweise Buddhismus und Hinduismus in einzigartiger Weise verschmelzen. So hat der Newar-Buddhismus viele hinduistische Elemente absorbiert und der Newar-Hinduismus viele buddhistische. Doch auch in anderen Teilen der Gesellschaft ist es normal, nach den eigenen Vorstellungen Elemente aus verschiedenen Religionen zu mischen. So haben die Menschen oft überlappende Identitäten und Gewohnheiten. Je nach Situation fühlen sie sich vielleicht eher der einen oder anderen Gruppe zugehörig.
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Nepal
Das Kastensystem Nepals ist zwar rechtlich seit 1963 abgeschafft, doch Zugehörigkeitsgefühle zu einer bestimmten Kaste, vielmehr noch der Sub-Kaste mit ihren jeweiligen regionalen Spezifika bleiben bestehen. Beim letzten Zensus, der nach Kasten fragte, im Jahr 2011, haben sich die Nepalis selbst 125 verschiedenen ethnischer Gruppen bzw. Sub-Kasten zugeordnet.
Schon eine vereinfachte Darstellung, in der die zehn größten Gruppen dargestellt sind, zeigt uns, wie vielfältig die Bevölkerung ist.
Bahun sind die Brahmanen und oberste Kaste, Chhetri die zweit höchste Gruppe der einstigen Krieger. Die Magar gehören zu den Janajatis, sie sind eines der ältesten Völker Nepals, ebenso die Tamang. Die Tharu besiedeln das Terai und sprechen eine indo-arische Sprache. Yadav ist eine aus Indien kommende Gruppe, die ursprünglich Kuhhirten waren. Die Rai gehören zu einem Volk, das vor allem im Osten Nepals siedelt und deren Ausprägung des Hinduismus stark schamanisch geprägt ist. Muslime kamen wahrscheinlich um das 15. Jahrhundert nach Nepal. Im Gegensatz zu Indien wurde das Land nie von islamischen Herrschern erobert.
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Nepal
Problematisch ist das Kastensystem vor allem im Zusammenhang mit dem Konzept der Unberührbarkeit. Danach galten traditionell bestimmte Berufsgruppen wie Wäscher, Lederverarbeiter oder Grobschmied als unrein. Aber auch bestimmte Musikergruppen gehörten traditionell zu den untersten Kasten. Die Unberührbarkeit wurde offiziell ebenfalls im letzten Jahrhundert abgeschafft, doch 2011 wurde aufgrund andauernder Diskriminierung nochmals ein Gesetz über Kastendiskriminierung und Unberührbarkeit verabschiedet, mit dem diskriminierende Praktiken gegenüber den Angehörigen der niedrigsten Kasten, den so genannten "Dalits", beendet werden sollen. Die Dalits machen etwa 13 Prozent der Bevölkerung aus und haben Überschneidungen mit verschiedenen ethnischen Gruppen.
Auch im umgekehrten Sinne spielen die Kasten eine Rolle. So bilden die Bahun, Chhetri und Thakuri zwar keine Mehrheit der Bevölkerung, bestimmen aber als dominante Minderheit in der Mehrzahl der Distrikte die Politik. Diese Gruppe wird in der nepalesischen Öffentlichkeit als Khas Arya bezeichnet. Zwar ist im politischen System Nepals die soziale Inklusion auf jeder Regierungsebene vorgesehen, z.B. durch Quota für Frauen und Dalits, dennoch sind diese Gruppen oft noch unterrepräsentiert und politische schlechter organisiert. Daher wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die noch junge Demokratie tatsächlich die Interessen aller Gruppen in der Öffentlichkeit vertritt.
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Exkurs in die politische Geschichte
Nepal war bis in die 1990er eine Monarchie, mal konstitutionell, mal eher absolutistisch. Von 1996 bis 2006 befand sich das Land in einem Bürgerkrieg, der mindestens 16.000 Menschenleben forderte. Die Maoisten kämpften gegen die Monarchie. Armee und Polizei wiederum gingen gegen Rebellen, oft aber auch auf Verdacht gegen Zivilisten vor. Der Konflikt hat im ganzen Land viele Wunden hinterlassen. 2006 wurde schließlich das Ende der Monarchie und auch des Hinduismus als Staatsreligion beschlossen. Die erste verfassungsgebende Versammlung von 2008 konnte sich lange Zeit nicht auf eine Verfassung einigen. Erst nach mehreren Neuwahlen und jahrelangen Verhandlungen trat schließlich 2015 die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Nepal in Kraft. Heute besteht das Parlament Nepals aus zwei Kammern mit 275 und 59 Angeordneten. Staatspräsidentin ist seit 2015 Bidya Devi Bhandari, Premierminister ist seit 2021 Sher Bahadur Deuba.
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Nepal
Indigene Gruppen haben sich seit 1991 in einer Vereinigung, der Nepal Federation of Indigenous Nationalities, kurz NEFIN, zusammengeschlossen. Zu ihnen zählen 59 indigene Gruppen und Stämme, einige davon mit hohem Bevölkerungsanteil, wie die Magar, Tharu oder Tamang. 22 Gruppen machen je weniger als 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung aus und werden je nach wirtschaftlichem Status als gefährdet, stark marginalisiert oder marginalisiert eingestuft. Zu diesen zählen zum Beispiel die Chepang.
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Kultur
Die Kultur Nepals ist geprägt von der ethnischen, religiösen und sprachlichen Vielfalt seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Nepali ist die einzige Amtssprache des Landes, auch wenn in der Verfassung von 2015 mehr als 120 Sprachen, die als Muttersprachen genannt wurden, als nationale Sprachen anerkannt werden. Mehrsprachigkeit ist in Nepal der Normalfall. Neben Nepali und ggfs. einer abweichenden Muttersprache, ist Englisch weit verbreitet, insbesondere im Tourismus. Im Norden etwas weniger als im Süden, verstehen und sprechen viele Menschen auch Hindi, die Nationalsprache Indiens, aufgrund von Arbeitsmigration und dem Konsum indischer Medien.
In Nepal gibt es neben der schriftlichen Literatur, die ab dem 14. Jahrhundert überliefert ist, auch eine Vielzahl mündlicher Überlieferungen. Viele Mythen, Märchen, Legenden und Fabeln basieren auf einer Erzähltradition. In den Dörfern finden Sie schnell alte Menschen oder Schamanen, die Ihnen eine ganze Reihe von Märchen, Sagen oder auch Geistergeschichten frei erzählen können. Viele dieser Geschichten wurden noch nie aufgeschrieben.
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Musik spielt in ausnahmslos jeder Kultur Nepals eine Rolle. Zu Festen und religiösen Anlässen, Hochzeiten und auch wenn ein Leben zu Ende geht, wird Musik gespielt. Dabei haben alle Bevölkerungsgruppen ihren eigenen Musikstil. Oft steht Musik dann auch in Verbindung mit Tanz, zum Beispiel bei den tantrischen Liedern und Tänzen der buddhistischen Caryas oder den schamanistischen Trommeln und Trance-Tänzen im Himalaya. Die Gaine, die früher mit ihrer Sarangi, einer Art nepalesischen Geige, durch die Gegend zogen und dafür von den Leuten mit Geld und Sachgütern belohnt wurden, wurden auch „Singing Newspapers“ genannt, weil sie neben ihren Gesängen auch Nachrichten preisgaben.
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In Asien kann man unmöglich über eine Kultur schreiben ohne über das Essen zu sprechen. Dal-Bhat ist das beliebteste und weit verbreitetste Gericht Nepals. Es bedeutet nichts anderes als Linsen mit Reis. In der Regel wir dazu noch Gemüsecurry, Tarkari, serviert. Außerdem sind die aus Tibet stammenden Momos, Teigtaschen gefüllt mit gewürztem Gemüse oder Fleisch, allseits beliebt, besonders in den Städten. Je nach Region, Gepflogenheiten und finanziellen Möglichkeiten, kommen diese Gerichte gerade in den Dörfern allerdings nur selten auf den Tisch. Mais, Buchweizen und Gerste ersetzen oft Reis und Weizen. Chiura, eine Art gequetschter Reis, kommt auch fast überall zum Einsatz, da er sich lange hält und vielseitig einsetzbar ist. Je höher die Dörfer im Himalaya gelegen sind, desto karger werden oft die Böden, was den landwirtschaftlichen Anbau erschwert. Hinzu kommen lange Winter, in denen es gar keine Ernte gibt. Dementsprechend einfacher fallen also auch die Mahlzeiten aus.
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