Auch vor Nepal machen die Entwicklungen der Corona Pandemie leider nicht halt. Schon im Januar 2020 wurde bekannt, dass sich ein nepalesischer Student in China infiziert hatte, bevor er nach Nepal zurückkehrte. In den darauffolgenden Wochen stiegen die Infektionszahlen weltweit auf rasante Weise, in Nepal jedoch wurden zunächst keine weiteren Infektionen vermeldet. Der Epidemiologe Prof. Dr. Madhav Bhatta von der Kent State University in den Vereinigten Staaten erwartete im Gespräch mit uns zu Beginn der Pandemie im März 2020, dass die COVID-19-Epidemie in Nepal weiter fortgeschritten ist, als die offiziellen Statistiken vermuten lassen.
Strikter Lockdown für 3 Monate
Zu dieser Einsicht gelangte dann auch die nepalesische Regierung und verhängte ab dem 24. März 2020 einen strikten Lockdown im ganzen Land, der insgesamt drei Monate aufrechterhalten wurde. Dies hat dem armen Land und seinen Menschen stark und nachhaltig zugesetzt. Im Gegensatz zu den verhältnismäßig lockeren Maßnahmen in Deutschland durften die Menschen in Nepal ihre Häuser nur in äußersten Notfällen verlassen. Die Geschäfte blieben weitgehend geschlossen, nur vereinzelt hatten Lebensmittelläden für wenige Stunden am Tag geöffnet (von 5-9 Uhr am Morgen). Der Lockdown hat besonders die ärmeren Familien hart getroffen, die aus Geldnot über keinerlei Vorräte verfügen. Tagelöhner waren von einem Moment zum anderen ihrer Verdienstmöglichkeiten beraubt, ihnen fehlten die Mittel, um ihre Familien zu ernähren. Doch auch die Bauern waren betroffen: Sie mussten aufgrund des Lockdowns zu Hause bleiben, mit der Folge, dass ihre Pflanzen, die in dieser Jahreszeit eigentlich geerntet werden müssten, auf den Feldern verdorrten. Insbesondere in den urbanen Zentren Nepals wurden viele kleine und große Betriebe stark von der Pandemie getroffen, u.a. Restaurants, Teeläden, Hotels und andere Dienstleistungsbetriebe. Viele Menschen, die vor Ausbruch der Pandemie im Dienstleistungssektor meist als Tagelöhner arbeiteten, sind mittlerweile arbeits- und mittellos. Für diese Menschen könnte es sehr lange dauern, sich von den Folgen der Pandemie zu erholen.
Geschlossene Schulen für 6 Monate
Das öffentliche Bildungssystem hat besonders unter den Auswirkungen des strengen Lockdowns gelitten. Viele Schüler Nepals waren zwischenzeitlich länger als ein halbes Jahr ohne Kontakt zu schulischer Bildung. Online Unterricht blieb ausschließlich privaten Schulen der urbanen Zentren vorbehalten, öffentliche Schulen können ihn sich nicht leisten und in den ländlichen Regionen fehlt es zusätzlich schlicht an der technischen Infrastruktur.
Kurze Atempause
Obwohl der harte Lockdown des Frühjahres die Menschen in Nepal stark getroffen hatte, konnte sich das Land im Sommer und im Herbst etwas erholen. Mit fallenden Infektionszahlen näherte sich das alltägliche Leben in Nepal wieder der Normalität an, auch der öffentliche Nahverkehr operierte wieder in weiten Teilen des Landes. Speziell in unseren Projektgebieten hatte sich die Lage Ende 2020 im Vergleich zu den Sommermonaten deutlich entspannt: In Mugu gestaltete sich der Alltag der Kleinbauern so wie vor der Pandemie, ebenso in den ländlichen Gegenden von Chitwan und Nuwakot. Auch die Schüler durften im Herbst nach langer Zeit endlich wieder in ihre Klassenräume zurückkehren.
Unzureichendes Gesundheitssystem
Große Sorge muss einem zweifellos das nepalesische Gesundheitssystem bereiten. War dieses schon vor der Pandemie schlecht aufgestellt, macht die aktuelle Krise die chronische Unterfinanzierung dieses Sektors besonders sichtbar. Bereits Mitte Oktober waren sämtliche intensivmedizinischen Kapazitäten Nepals ausgelastet. Davon abgesehen, dass es längst nicht genug Intensivbetten in Nepals Krankenhäusern gibt, sind diese zusätzlich auch nicht adäquat ausgestattet: technisches Gerät wie Sauerstoffmasken oder Beatmungsgeräte sind Mangelware, die nepalesische Regierung konnte sich die teuren Geräte nicht leisten.
Impfaussichten
Nepals Impfkampagne schreitet sehr schleppend voran, denn das Land kann selbst weder Impfstoffe entwickeln noch produzieren. Im März erhielt man den kostbaren Impfstoff vor allem aus Indien. Doch durch den neuerlichen rasanten Anstieg der Fallzahlen dort wurden die Impfstofflieferungen weitgehend eingestellt. Anstatt Impfstoff aus Indien zu erhalten, schwappt nun das dynamische Infektionsgeschehen vom Nachbarland nach Nepal. Stand 05. Mai 2021 sind die täglich vermeldeten Fallzahlen seit Mitte April um mehr als das 30-fache gestiegen, man befindet sich wieder im exponentiellen Wachstum. Die nepalesische Regierung reagierte Ende April zunächst mit einem Lockdown im Kathmandu-Tal, ein Distrikt nach dem anderen wird seitdem heruntergefahren, auch die Schulen müssen vorerst wieder geschlossen bleiben. Viele Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, können nicht mehr behandelt werden, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.