Am 25.04.2015 erschütterte Nepal ein schweres Erdbeben der Stärke 7,8 – das Epizentrum lag nur 80 km von der Hauptstadt Kathmandu entfernt. 90 Sekunden wüteten verheerende Erdstöße. Menschen liefen panisch ins Freie. Häuser, Dächer, Treppen und Mauern stürzten ein. Stromkabel, Masten, Wassertanks und Werbeschilder wurden zu tödlichen Geschossen.
Vielerorts kam es zu Erdrutschen. Unzählige Schulen, historische Gebäude und Tempel sowie Straßen, Brücken und weitere Infrastruktur wurden zerstört. Die Gewalt der Plattenverschiebung war derart stark, dass Kathmandu um ganze 3 Meter nach Süden verschoben wurde. Es war das stärkste Erdbeben seit 80 Jahren.
Auch die nächsten Tage wurde das Land von schweren Nachbeben heimgesucht. Tausende verängstigte Menschen schliefen bei Regen unter freiem Himmel, aus Angst in ihre Häuser zurückzukehren oder weil diese zerstört oder schwer beschädigt waren.
Ein paar Zahlen machen das Ausmaß der Katastrophe deutlich: Nach Schätzungen waren bis zu 10 Millionen Menschen direkt von dem Erdbeben betroffen. Über 8.650 Opfer verloren ihr Leben, weit mehr als 100.000 wurden verletzt. 1,4 Millionen Menschen mussten über einen längeren Zeitraum ohne Nahrungsmittel ausharren, eine Million war von der Wasserversorgung abgeschnitten.
Fast drei Millionen Betroffene verloren vorübergehend ihr Zuhause. Denn mehr als 600.000 Gebäude wurden komplett zerstört, weitere ca. 269.000 beschädigt. Zudem liegen Meldungen von bis zu 30.000 zerstörten Klassenzimmern vor.
Katastrophenhilfe – schnell und unkompliziert
Obwohl die Mitarbeiter von Back to Life in Nepal selbst vom Erdbeben betroffen waren, stand für alle fest, sich sofort an der Nothilfe zu beteiligen. So gehörte die Organisation zu den ersten, die konkrete Hilfsmaßnahmen leisteten. Überall herrschte Chaos, es fehlten Trinkwasser und Essen, Planen und Decken für Notunterkünfte, Ärzte, Medikamente, Blutkonserven. Und wie bei vielen Katastrophen war auch die Seuchengefahr enorm hoch.
Doch nur zwei Tage nach dem Erdbeben konnte Back to Life den ersten Betroffenen Hilfe zukommen lassen. Die Organisation engagierte sich beim Bau von Notunterkünften, bei der Versorgung mit Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser sowie bei der Verteilung von Medikamenten. Mit viel Improvisationsgeschick und unermüdlichem Einsatz organisierte das Team in kürzester Zeit Health Camps, um Menschenleben zu retten, und begann die Betroffenen über die nun dringend notwendigen Hygienemaßnahmen aufzuklären.
Unter anderem brachte Back to Life dringend benötigte Medikamente in das überfüllte Sushma Koirala Memorial Hospital Nepal (SKMH) nahe Kathmandu und organisierte in der stark zerstörten Stadt Bhaktapur ein Health Camp mit besonderem Fokus auf Schwangere, stillende Mütter und Babys.
Die schwer betroffene Region Nuwakot wurde zum neuen Projektgebiet erklärt, in dem Back to Life später auch den Wiederaufbau unterstützt hat. Zunächst aber half das Team den Bewohnern mit Decken, Kleidung und Schuhen, den eiskalten Winter zu überstehen. Währenddessen wandte sich Stella Deetjen in Deutschland immer wieder an die Öffentlichkeit, um über die Situation vor Ort zu informieren und dringend benötigte Spenden zu sammeln.
Das zweite Beben
Mit großer Bestürzung erfuhren wir am 12. Mai von dem zweiten massiven Erdbeben der Stärke 7,4. Das Epizentrum lag diesmal nordöstlich Kathmandus. Unzählige Häuser, die beim ersten Beben beschädigt worden waren, hatten bei diesem weiteren Schock keine Chance.
Wiederaufbau: Schulen im Fokus
Der Tag des Erdbebens war ein Samstag, der einzige schulfreie Tag der Woche. So wurde in den Schulen niemand verletzt oder getötet – doch 30.000 Klassenzimmer waren zerstört. Das hieß: Etwa eine Million Kinder konnten nicht mehr angemessen unterrichtet werden. Doch wie sollte der Wiederaufbau in Nepal jemals möglich sein, wenn eine Generation ohne Ausbildung heranwächst?
Deshalb konzentrierte sich Back to Life vor allem auf die Schulen. Zunächst wurden für den Übergang stabile Großraumzelte errichtet, dann begann die Planung für den gleichzeitigen Wiederaufbau von acht erdbebensicheren Schulgebäuden. Das gestaltete sich noch schwieriger als gedacht: Durch Auflagen der Behörden, den Monsun und zerstörte Verkehrswege verzögerte sich der Baubeginn immer wieder. Material und Maschinen ließen sich nur unter größten Mühen in die abgelegenen Dörfer transportieren. Zudem machten große Gesteinsplatten im Boden das Ausheben der Fundamente zum Kraftakt.
Doch schon im September 2016 konnten gleich sechs der neuen Schulgebäude eröffnet werden. Das Team von Back to Life, Stella Deetjen und ihr Sohn waren bei der feierlichen Einweihung dabei. So auch in der Dashinkali Primary School in Bhaduwar, die am 25. April 2015 massiv beschädigt und dann beim zweiten Beben im Mai endgültig zerstört worden war. Heute steht dort ein sonnengelber, erdbebenfester Neubau – eine Schule, in der sich Kinder und Lehrer wohl und sicher fühlen können. Das hilft ihnen, die Traumatisierung durch das Erdbeben zu überwinden. Diese Schule wurde von Fabian Hambüchen gestiftet, dem Olympiasieger am Reck in Rio 2016.
Neuer Mut für die Menschen
Bei der Soforthilfe hatte Back to Life mit Sicherheitstrainings und Traumabewältigungs-Seminaren gute Erfahrungen gemacht. Deshalb entwickelten die Projektleiter gemeinsam mit Pädagogen und Psychologen ein entsprechendes Programm für Lehrer und Schüler.
Lehrer von 27 Schulen konnten an Seminaren teilnehmen, in denen zunächst die Ursachen für Erdbeben anschaulich erläutert wurden. Danach klärte man Fragen wie: Kann ich mich auf ein Erdbeben vorbereiten? Wie bringe ich uns alle schnell in Sicherheit? Zugleich wurden Evakuierungspläne erstellt und Informationen über erdbebensicheres Bauen vermittelt.
Ziel der Seminare war es, dass die Lehrer ihr Wissen an die Schüler weitergeben und regelmäßig Übungen für den Ernstfall durchführen. Rund 10.000 Schulkinder haben davon profitiert.
Die Lage in Nepal heute
Ursprünglich hatte die Regierung den Wiederaufbau innerhalb von zehn Jahren geplant, doch heute ist klar, dass es deutlich länger dauern wird. Noch immer sind Tausende Gebäude und Kulturdenkmäler nicht rekonstruiert, noch immer ist die Infrastruktur des Landes nicht intakt. Immerhin: Von den rund 7.550 beschädigten Schulen sind mehr als 4.000 wieder aufgebaut.
Seit 2015 hat es in Nepal mehr als 44.000 Nachbeben gegeben. Wie die Menschen im Land damit leben? Es gehört zur Mentalität der Nepali, die Hoffnung nie aufzugeben – und Back to Life tut alles, um sie darin zu bestärken.
Danke an alle, die uns unterstützt haben
Für Back to Life waren die Maßnahmen nach dem Erdbeben 2015 ein Mammutprojekt. Wir sind an dieser Herausforderung gewachsen und haben gezeigt, dass gerade eine kleinere Organisation schnell und flexibel Nothilfe leisten kann.
Ohne die langjährigen Unterstützer und zahlreichen neuen Paten und Spender hätten wir das Projekt niemals bewältigt. Wir bedanken uns für das großzügige Engagement und für das Vertrauen in unsere Arbeit – auch im Namen der Menschen in Nepal, die heute mit mehr Hoffnung in die Zukunft blicken können.