Das Bärbel Schäfer Interview mit Stella
25 Jahre Back to Life, liebe Stella. Mit welchen Gefühlen schaust Du zurück?
Mir scheint, da waren alle Gefühle der menschlichen Skala dabei, ich glaube, das reicht für mehrere Leben. Heute lebe ich im Hier und Jetzt, da bin ich glücklich mit dem Erreichten. Trotzdem möchte ich lieber nach vorne schauen und mit Back to Life noch Vieles für die Menschen in Nepal bewirken, einem der ärmsten Länder weltweit.
Der Erfolg, die Veränderung kommt oft mit kleinen Schritten daher – bei welchem Projekt in Nepal warst Du ungeduldig und dachtest, das schaffen wir nie?
Das Gefühl kenne ich nicht. Seit 25 Jahren trete ich dafür an, Unmögliches möglich zu machen. Der einfache, ausgetretene Weg hat mich nie interessiert, weil ich weiß, dass weder ich noch andere daran wirklich wachsen. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, Pflaster auf die Wunden zu drücken, sondern vielmehr Lösungen zu finden, damit es erst gar nicht mehr blutet. Mir ist bewusst, dass das nicht einfach ist und gegebenenfalls Generationen dauert. Aber jede echte Anstrengung führt uns irgendwann zum Ziel, das habe ich im Laufe der Jahre selbst erfahren.
Worin haben Dich die Bewohner Nepals überrascht?
Mit ihrer Schicksalsstärke! Seit ich Nepal kenne, wurde ich Zeuge tiefgreifender Umwälzungen wie des Bürgerkrieges, des Massakers an der Königsfamilie, des Wandels zur Republik. Jedes Jahr trotzen die Menschen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdrutschen. Das kleine Himalayaland ging wiederholt durch bittere Not – besonders nach den Erdbeben und während der Corona-Krise.
Neben ihrer Stärke, immer wieder aufzustehen und wiederaufzubauen, zeichnet die Menschen Nepals noch eine wichtige Eigenschaft aus: nie ihr innewohnendes, aus dem Herzen kommendes Lachen zu verlieren.
Daraus bildet sich der fruchtbare Boden für unsere „Hilfe zur Selbsthilfe“, die immer auf die Eigenverantwortung und die eigene Leistung der Menschen abzielt. Mich überrascht positiv, wie viel bereits daraus gewachsen ist für Tausende.
Wobei hast Du Dich selbst am meisten überrascht?
Tatsächlich Geduld gelernt zu haben, denn eigentlich bin ich eher ein impulsiver Typ. Im Rückblick vielleicht auch meine Beharrlichkeit, den Weg immer weiterzugehen.
Rückschläge durch Naturkatastrophen haben Euch in der Arbeit begleitet, wie motivierst Du Dich und Dein Team immer wieder, neu anzufangen?
Das muss ich gar nicht. Sie sind es, die sich eine Veränderung wünschen für ihr Land und die Menschen in Nepal. Unmittelbar nach den verheerenden Erdbeben 2015 habe ich den nepalesischen Mitarbeitern vor Ort freigestellt, ob sie arbeiten oder bei ihren Familien sein wollten, die ja alle genauso betroffen waren. Keiner hat diese Karte gezogen, sondern wir haben uns ab Minute Eins um die Katastrophenhilfe gekümmert und viel mehr erreichen können, als ich gedacht habe.
Muss es in einem selbst brennen, was man in anderen als Begeisterung entzünden will? Wofür brennst Du?
Ich brenne dafür, Menschen die Würde zurückzugeben, das Leben für alle und nicht nur für mich besser zu machen. Im Einklang mit unserer Natur und Umwelt.
Du bist ständig umgeben von einem Team, Du bist unverwechselbar in Deinem Zugang auf Menschen und Probleme: Wer bist Du, wenn Du mit Dir mal alleine bist?
Ich versuche, mir eine gute Freundin zu sein, auch wenn ich gleichzeitig meine härteste Kritikerin bin. Ich bin sehr gerne alleine, weil ich diese Zeit brauche, um Kraft zu sammeln. Dann tauche ich ab in Bücher, die ich immer noch um die ganze Welt schleppe, weil ich lieber ein Buch in der Hand habe, als digital zu lesen. Wenn ich reise, machen Bücher den Hauptteil meines Gepäcks aus, viele lachen darüber in den heutigen Zeiten.
Hast Du ab und zu das Gefühl, die Zeit läuft Dir davon, Du wirst nicht alle Ideen umsetzen können, die Du noch hast?
Nein, das sehe ich eher realistisch. Ich werde mein Leben lang das Beste geben, um die Ziele, die wir uns stecken, zu erreichen. Die Welt wandelt sich immerfort, jedes Jahrzehnt kommt mit anderen Chancen und Schwerpunkten daher, mit den sich daraus ergebenden Aufgaben versuche ich zu wachsen. Alles, was ich sonst tun kann, ist, Menschen zu bewegen, uns bei unserer Vision zu helfen – durch Spenden, Rat und Tat sowie Networking.
Was kann Deutschland von Nepal lernen?
Gelassenheit, Demut und die Freude an den kleinen Dingen, die man nicht kaufen oder besitzen kann.
Womit könnte Dich ein Nepali überraschen?
Mit leckerem deutschem Brot oder gar einer Brotmahlzeit.
Worauf bist Du besonders stolz?
Auf mein Team in Nepal, die keine Bürozeiten kennen, keine Anstrengung scheuen, sondern alles geben, was ihr Herz, ihre Seele und ihr Verstand vermögen.
Du hast immer an Dich und Deine Idee geglaubt, wer waren aber die wichtigsten Wegbegleiter in den 25 Jahren Back to Life?
Allen voran mein geliebter Bruder, der mir so tatkräftig beim Aufbau des Vereines geholfen hat. Meine Omi, die mir Herzensstärke und Moral vermittelt hat. Meine Mutter, mein Sohn, mein Onkel und meine Tante sind auch in schweren Zeiten an meiner Seite und stärken mich. Ich habe das große Glück, obwohl ich ja meistens unterwegs bin, noch meine engsten Freunde aus der Kindheit und Jugend zu haben, die mir sehr viel bedeuten und mit den Jahren sind weitere, globale Freundschaften dazugekommen. Bei ihnen kann ich mich auch einmal fallenlassen und muss nicht immer stark vorneweggehen.
Hegst Du einen Wunsch für die Zukunft?
Ja. Mittlerweile haben wir in Nepal 71 Gebäude und bald 20 Wassersysteme gebaut und weitere werden hinzukommen. Die gilt es, auch zukünftig zu erhalten. Um die Erfolge zu bewahren und Back to Lifes Projekte für die Zukunft (gerade während Krisenzeiten) abzusichern und auf ein festes Fundament zu stellen, habe ich eine Stiftung gegründet. Die steckt allerdings noch in ihren Babyschuhen und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Spenden für die Stiftung anlässlich unseres 25. Jubiläums.